Es begann - wie erträumt - mit einem Bad im Meer. Nach etwas Müsli ging die Fahrt weiter. Unterwegs sah ich mir das kleine Kloster an, das bei Porto Lago auf einer schmalen Landzunge, in einem See liegt. Es ist über zwei Inselchen verteilt und ich fragte mich, wie wohl jemand auf die Idee kommen könne, ein Kloster so anzulegen und mit aufwendigen Brücken zu verbinden - noch dazu in der Gefahr, bei Sturm weggespült zu werden. Vielleicht haben ja die Leute hier einen Vertrag mit Poseidon.

Mittags kam ich dann in Kavala am Zeltplatz an, rastete dort ein wenig und dachte mir, dass vielleicht doch noch jemand vorbeikommen würde in der Siesta - aber das war wohl nichts. Ich probierte dann einmal den anderen Weg - trotz Siesta fuhr ich los, um etwas zu sehen zu bekommen. Philippi hatte ich mir ausgesucht, wo Paulus damals anfing, den Leuten das Christentum näher zu bringen. In meine Planung passte das gut, weil ich hoffte, dort dieses Griechenland-Ruinen-Erlebnis zu haben, das wohl einfach bzw. unbedingt dazugehört. Ich war also entsprechend gespannt darauf.

Es war gar nicht einfach, Philippi zu finden, einzig aus dem Grund, weil am Weg noch ein Dorf namens Philippoi lag. Die winzige Abweichung in der Endung des Namens für unbedeutend haltend, fuhr ich also dort hin, kam in eine schöne Gegend, das Dorf schön malerisch am Hang gelegen, und weil ich nichts historisch-ruinenstättenhaftes fand, fuhr ich gleich noch ins nächste Dorf. Dann wieder zurück, und etwas enttäuscht und ratlos die Hauptstraße Richtung "Drama" (es war ja auch ein Drama) entlang. Und da erschien dann die Ruinenstadt, direkt an der Straße, schön eingezäunt und mit Kassenhäuschen versehen.

Heißes Wetter. Und nun wirklich verrückt, da zwischen großen Steinen umherzulaufen. In der irrigen Annahme, es werde schon nicht so schlimm sein - weil ich schon andere Leute dort herumlaufen sah, die noch lebendig zu sein schienen - löste ich mein Ticket und ließ mich von der schattenarmen Steinwüste braten.

Aber interessant war es allemal. Es ist etwas Anderes, darüber zu lesen oder direkt an einem solchen Ort zu sein. Es wird real, und die Gedanken gehen andere Wege. Wie aus einem solchen Wirrwarr an einzelnen Steinbrocken wohl ein Bild entstehen kann, das zeigt, wie es hier wohl damals aussah? Wie das zeitlich einordnen? Die Stadt wurde sicher nicht auf einen Schlag verlassen, wuchs auf älteren Ansiedlungen. Wie will man jemals wissen, wohin hier was gehörte? Es ist nicht ein Foto, eine Momentaufnahme, sondern ein Puzzle durch verschiedene Zeiten, bei dem auch noch die meisten wichtigen Teile fehlen.

Interessant und fotogen waren die einzelnen Säulen und ein großer aus Steinquadern gefügter Platz; man kann ein größeres Mosaik bestaunen, sieht riesige Tontöpfe in einem der Räume, ein seltsam freistehendes Tor, das bei richtiger Beschwörungsformel sicher den Weg in eine fremde Dimension freigiebt, und dann ist da noch eine Kirchenruine. Weiter oben am Berg schließlich gibt es auch eines der obligaten Amphitheater, wo heutzutage auch wieder Aufführungen stattfinden. Studenten streiften herum, zum Teil mit dicken Wälzern unterm Arm, und ab und an erklärte jemand die Zusammenhänge. Ich war froh, nur an diesem Tag durch das heiße Steinchaos streifen zu müssen.

Auf dem Rückweg fuhr ich zum zweiten Male durch Kavala - wieder war das ein Erlebnis, das zwischen Faszination und dem Gefühl lag froh zu sein, wenn es vorbei ist. Die chaotische Stadt mit ihrem Verkehrsgewühl, die verschachtelten Häuser, die sich neben- und übereinander türmen, und was man nebenbei mitbekommt, die Sehenswürdigkeiten wie die Burg und das Aquädukt, das sich quer durch die Stadt zieht - das alles verschmilzt zu einem Gefühl von Lebendigkeit und Historie, Chaos und Idylle.

Gegen 16:30 Uhr langte ich wieder am Zeltplatz an, baute Zelt und Fahrrad auf, schwamm eine Runde im Meer und startete dann mit dem Fahrrad in Richtung Innenstadt von Kavala. Es ist keine Stadt für Fahrräder, aber auch hier nutzte ich gern den Vorteil, zwischen Straße und Fußweg wechseln zu können.

Erst einmal stürzte ich mich ins Straßengewirr, fuhr kreuz und quer durch verschachtelte Gassen, bergauf und bergab. Dann versuchte ich zur Burg zu gelangen und ein paar schöne Fotos von der Stadt zu erhaschen. Das Licht war aber dafür ungünstig, und die Burg hatte nur bis abends geöffnet, so dass ich nur ganz kurz von da aus auf die Stadt blicken konnte. Bis zur völligen Dunkelheit schlenderte ich dann am Hafen lang, sah mir Boote und Menschen an und genoss schließlich auch den Anblick, wenn die Burg angeleuchtet wird. An einer Fischgaststätte im Hafen ließ ich mich gerne von einem quirlig-redseligen Ober heranbitten - der Mann verstand sein Geschäft, und währenddem in der Gaststätte nebenan die Tische leer blieben, waren sie auf meiner Seite bald voll besetzt. Es gab für mich Dogfisch, Bauernsalat, das obligatorische Weißbrot, Wasser und Wein. Der Preis war für den zentralen Platz angemessen.

Am Zeltplatz zurück, erwartete mich eine ganze Meute von Hunden, die es sich rund um mein Zelt bequem gemacht hatten. Ich versuchte, mich mit dem Gedanken an diese Nachbarschaft anzufreunden und machte, um mir dafür etwas Zeit zu geben, noch eine kurze Strandwanderung Richtung Stadt, die eine sehr schöne Kulisse bietet. Von Zeit zu Zeit traf ich auch auf Fischer, und dafür, dass ich ein paar Leute am Strand fotografierte, spendierten die mir ein Glas Wein.

Die Hundemeute hat dann meinen Schlaf nur selten gestört, es war ganz in Ordnung. Nur hier und da mal ein kurzes Bellen oder Knurren.