Ein abenteuerlicher Tag durch und durch - zuerst das geplante Abenteuer, dann das unerwartete.

Ich wollte auf den Olymp steigen und einfach einmal sehen, wie weit ich dabei komme. Natürlich hatte ich schon im Sinn, auf einen Gipfel zu gelangen. Dafür fuhr ich allerdings reichlich spät los, erst 9:00 Uhr in Richtung Litochovo (das große Dorf, das allgemein als Ausgangspunkt dient). Von dort aus schraubte ich mich über endlos scheinende Serpentinen mit dem Auto auf eine Höhe von 1100 Metern. Die letzten zwei Kilometer waren eine steinige Holperpiste, die jedes Normalverbraucher-Auto besser meiden sollte. Die Bergstation dort, Priovia, ist mit dutzenden Transportpferden ausgestattet, die bei Bedarf zu den weiter oben gelegenen Bergstationen geführt werden. Man hört diese kleinen Karawanen schon weitem durchs Tal kommen, jedes Tier hat ein Glöckchen am Hals.

In der Bergstation aß ich eine gute Bohnensuppe, dann ging es um 10:30 Uhr zu Fuß los. Immerfort bergauf, zuerst durch schönen gemischten Buchen- und Kiefernwald, der sich dann immer weiter lichtete, je näher ich der 2000 m - Marke kam. Ich brauchte etwa zwei Stunden auf dem Weg E4, der zu einer weiteren Station auf 2100 m Höhe führt. Unterwegs überholte ich noch mehrere Grüppchen von Leuten, lief relativ schnell. An der Bergstation war ich dann doch schon ganz schön geschafft und zweifelte stark daran, noch einen Gipfel erreichen zu können. Noch dazu fing es an, stark zu regnen. Das dauerte aber nur so etwa 10 Minuten und ich beschloss nach einer halben Tafel Schokolade, einfach weiterzugehen, bis die Uhr mich zur Umkehr zwingen würde. Ich meinte auch, dass es normal ist, wenn einem die alten Götter auf dem Weg in ihr Reich ein paar Schwierigkeiten bereiten. Ich ging also weiter, machte immer einmal ein Foto zurück ins wolkenverhangene Tal und vorwärts zu den wolkenverhangenen Gipfeln, seltsamerweise ging ich selbst kaum durch Wolkennebel - der schien sich immer wieder dort zu lichten, wo ich ging. Unterwegs begann es wieder zu regnen - ich zog denn auch die wind- und regendichte Hose über, in der es sich allerdings schwerer laufen lässt.

Irgendwann gelangte ich, nach einer ziemlich windigen Strecke auf einem Bergkamm entlang an ein Tal, das, nur noch von einzelnen Grasbüscheln bewachsen, direkt zwischen den Gipfeln zu liegen schien - es mutete an wie ein mystischer Ort, und ich denke, wenn man hier graben würde, käme wohl der Palast der alten Götter zum Vorschein.

Hier hätte ich vielleicht schon umkehren können, mein Ziel auf den Olymp zu kommen, war wohl schon Wirklichkeit geworden, aber die Gipfel schienen nicht mehr weit zu sein, und ich beschloss weiterzugehen und wenigstens einen von den vier Gipfeln des Olymp zu erreichen.

Der Wind wurde hier noch einen Zahn schärfer, drückte in Böen über den Bergkamm, an dem ich weiter nach oben stieg. Die Luft wurde noch kälter, vereinzelte Tropfen und der wallende Wolkennebel durchnässten alles, aber ich war mit meiner regen- und winddichten Kleidung relativ gut geschützt. Die flatterte und knatterte bisweilen so sehr im Wind, dass ich fürchtete, einen Hörschaden davonzutragen. Die Hände in die Taschen vergraben (Handschuhe wären angebracht gewesen) stapfte ich verbissen immer weiter, ich war auch schon viel langsamer geworden, es war eher ein Trippeln, ein Kampf um Fußlängen, als richtige Schritte. Aber es ging vorwärts, durch die Wolken durch, die alles in kalten mystischen Nebel hüllten. Irgendwann teilte sich der Pfad, und auf einem Stein war angezeichnet ein Weg zum Gipfel Skala, der andere Gipfel klang ähnlich, aber ich wollte nicht erst den Fotoapparat herausholen, in dem ich die Wegeskizze, abfotografiert, hätte sehen können.

Ich bog ab nach links, am Skala-Gipfel vorbei, und gelangte nach einer ganzen Weile kurz vor 16:00 Uhr, auf einen Gipfel. Dort machte ich wenige Fotos, da sowieso nichts weiter zu sehen war wegen des Nebels, aß einen Apfel und Schokolade und kehrte bald wieder um, um aus dieser kalten feuchten Hölle herauszukommen. Den Göttern gönne ich ruhig solchen Platz.

Um 16:00 Uhr also kehrte ich um ohne zu wissen, auf welchem Gipfel ich nun gewesen war, und gelangte auch sehr schnell wieder an die Bergstation - bergab läuft es sich eben doch weit günstiger oder schneller. Ich brauchte so anderthalb Stunden für den Weg. An der Bergstation erfuhr ich dann mit Hilfe des Fotos, dass ich auf dem Skolio-Gipfel gelangt war, den zweithöchsten Gipfel mit 2911 m. Mir war es genug - der höchste Gipfel, der Mystikas, hat auch nur 6 m mehr zu bieten.

Dann ging es weiter ins Tal bis 19:50 Uhr, gerade so vorm Dunkelwerden kam ich an der Bergstation an. Einen entscheidenden Nachteil hat das ständige Bergablaufen: die Füße spielen nicht mehr mit und an den kleinen Fußzehen bilden sich schnell Blasen, trotz der gut eingelaufenen Schuhe. Unterwegs sah ich noch Unmengen an Feuersalamandern, die in der Feuchtigkeit und in beginnender Dunkelheit über den Weg krochen - bestimmt über 20 dieser Tierchen sah ich und fotografierte auch einige. Nun, ich fand, es war wirklich ein gutes Timing, etwas Glück war sicher neben aller Berechnung auch dabei. Ich war froh, wieder unten zu sein, war hungrig und völlig kaputt, konnte kaum noch laufen und freute mich auf ein umfangreiches Essen.

An der Bergstation begann nun das nächste, das unerwartete Abenteuer. Irgendetwas summte seltsam in meinem Auto. Dann sprang der Motor nicht an und, als ich nachsah, bemerkte ich, dass ich das Licht hatte brennen lassen (vielleicht hatte ich das auch nicht - möglicherweise war auch das ein Schabernack der alten Götter, die über meine Frechheit, trotz widriger Winde bis zum Gipfel durchgekommen zu sein, erbost waren). Die Batterie war nieder, völlig tot, es ging überhaupt nichts mehr. Es war auch niemand mehr in der Nähe, den ich hätte um Hilfe bitten können. Es ist schon ganz schön verrückt, dass mir sonst so etwas nie passiert, und hier, wo es nun wirklich am ungünstigsten ist, ausgerechnet - usw.

Plan Nr. 1: ich lasse das Auto bergab rollen und versuche damit zu starten. Dunkel glaubte ich mich zu erinnern, dass das mit meinem Auto nicht geht. Und es war das gefährlichste, das ich an diesem Abend probierte, weil es beim Anschieben fast zu schnell geworden wäre, um noch ins Auto zu springen. Und dann war es gefährlich, bergab zu rollen ohne Licht und Scheibenwischer bei Regen und Dunkelheit - mit geöffneter Tür versuchte ich es ein Stück. Jedenfalls schlug Plan 1 fehl, das Auto sprang wie befürchtet nicht an.

Plan 2: Leute finden, die mir Starthilfe geben können. An der Bergstation standen zwar noch Fahrzeuge, aber niemand war da - wahrscheinlich schliefen die oben auf 2100 m. Also, erst einmal ging da nichts.

Dann waren da doch noch ein paar junge Leute, die ich fragte, wie sie weiterkämen - sie warteten auf ein Taxi, das sie nach Litochowo bringen sollte. Von dort wollten sie mit eigenem Auto zurückkommen und weitere Leute einladen.

Plan 3: vom Taxi Starthilfe geben lassen. Nach einer Weile kam das Taxi, ein Mercedes, und der Fahrer meinte, er könne wegen seiner Elektronik im Auto keine Starthilfe geben.

Plan 4: Wenn die Leute mit dem Auto hochkommen, von denen Starthilfe geben lassen.

Inzwischen hatte es schon heftig gewittert, es goss in Strömen, hagelte auch einmal. Ich wartete mit einem anderen Typen auf die Leute, die wiederkommen wollten. Als die dann da waren, meinten sie, es wäre wegen des Regens zu gefährlich, das mit der Starthilfe zu probieren - und alles Argumentieren in notdürftigem Englisch half nichts, sie blieben bei ihrer Meinung. Wir warteten noch lange auf andere Leute, die irgendwo im Wald unterwegs waren und von denen nicht klar war, ob sie überhaupt auftauchen würden, bis sie schließlich doch kamen. Obwohl der Regen zwischenzeitlich aufhörte, waren die Anderen nicht zu bewegen, mir Starthilfe zu geben. Sie boten mir aber an, mich mit nach Litochovo runter zu nehmen. Weil sie kaum Englisch sprachen und ich nicht Griechisch, war es nicht möglich irgendetwas zu regeln. Eine Chance, telefonisch Hilfe zu holen hatte ich auch nicht, da in diesem Gebiet kein Mobiltelefonempfang möglich ist. Ich wäre also auf dem Berg völlig abgeschnitten gewesen. Gut also:

Plan 5: Ich fahre mit nach Litochovo und organisiere mir von dort aus selbst Hilfe. Lust in einem Hotel zu übernachten hatte ich nicht, und das Auto bei diesem Wetter am Hang stehen zu haben, wo sich die Handbremse vielleicht doch lösen könnte oder ein Wasserschwall alles wegspült, das wollte ich auch nicht riskieren.

Nachdem die 5 bis 6 Leute doch noch aus dem Wald kamen, nach ewigem Rufen und Taschenlampenblinkzeichen, fuhren wir zu viert zu einem weiteren Auto, das an der Strecke nach Litochovo im Wald stand, und mit dem fuhr ich dann weiter nach Litochovo. Ich wurde am Marktplatz abgesetzt und versuchte nun, den ADAC zu erreichen. Der Auslandsservice in Deutschland wollte mich an den ADAC Athen vermitteln, die Weiterleitung klappte aber nicht. Beim zweiten Mal hatte ich einen Bayer in München am Apparat, der wieder versuchte zu verbinden, mir aber vorsichtshalber die direkte Nummer gab. Natürlich klappte es auch diesmal nicht. Ich wählte die Athener Nummer, und eine freundliche Stimme erklärte in deutscher Sprache, die Öffnungszeiten des Büros endeten um 23:00 Uhr. Natürlich, es war schon nach 23:00 Uhr. Zumindest sagten sie die Nummer des griechischen Straßendienstes mit durch, die der "Helpa". Ich rief also dort an, die 314, und bekam es mit einem Griechen zu tun, der kein Deutsch verstand, auch kaum englisch. Nach längerem hin und her nannte er mir eine Nummer (die durchzugeben auch wieder ein mittelschweres Problem bzw. Abenteuer darstellte), über die ich einen englischsprachigen Mann erreichen könne. Dieser jedenfalls versprach, mir in einer halben Stunde jemanden vorbeizuschicken - ein erster Lichtblick nach längerer Verhandlung darüber, wo genau ich mich befände und was mit meinem Auto sei. In der Eile vergaß ich zu fragen, wie denn das Auto der "Helpa" aussähe und war deswegen nun auch wieder unsicher. Nach einer halben Stunde fragte ich dann einen verdächtig aussehenden Wagen mit Rundumleuchte, aber es war keine rechte Verständigung möglich, der Mann wollte mich zur Polizei schicken. Ich rief nochmals den englischsprachigen Helpa-Mann an und ließ mir sagen, das Auto sei gelb mit großer Aufschrift "Helpa", in griechisch. Nun gut.

Das Auto kam, ich schilderte meine Situation und der Fahrer fragte noch ob in meinem Auto noch Leute seien, ob ich allein sei und ob es mir dann was ausmachen würde wenn er erst noch eine andere Fahrt machen würde - er musste noch ein Auto woanders abliefern. Ich war froh, dass die Dinge jetzt wenigstens liefen und stimmte zu (eingedenk auch der Tatsache, dass das letzte Stück des Weges für ein Abschleppfahrzeug mit aufgebocktem Wagen nicht eben geeignet sei), und dann fuhren wir los, ewig lang die Autobahn Richtung Larissa bis Leptokarya.

Das Wetter war saumäßig. In Leptokarya dann war da ein anderer Typ, der mir zu erklären versuchte, dass es wegen des Wetters heute nicht mehr möglich sei, mein Auto von dort oben zu holen. Irgendwie versuchten wir das zu klären, dass sie mich am Zeltplatz absetzen und morgens dann das Auto anfahren würden. Jetzt war ich doch schon wieder mehr genervt, weil sich alles hinauszuzögern schien, wo ich schon etwa abgeschätzt hatte, wann das Drama vorbei sein könnte (nämlich noch in dieser Nacht). Aber ich sah es schon ein, auch wenn es nicht beruhigte.

Vor der Abfahrt Litochovo wurde das Wetter dann schon wieder etwas besser, und der Fahrer meinte, wir könnten es ja probieren. Mir wurde etwas wohler, und ich hoffte nur, dass es jetzt doch noch die optimale Variante geben würde. Die Fahrt nach oben gefiel scheinbar auch dem Fahrer, im Tal sah man die kleinen Orte in einem Lichtermeer glitzern und leuchten, die Kurven ließen ihn anfangs noch den Vergleich mit der "Formel 1" ziehen, dann später wurde er schon etwas ungeduldiger, fragte öfters nach, ob wir bald da seien - was ich auch nicht recht beantworte konnte, denn in der Dunkelheit wirkt alles weiter, auseinandergezogener, komplizierter. Bei den letzten zwei Kilometern Holperpiste war es dann auch ein Seufzen und Stöhnen und die Bemerkung, bei Tag wäre das wohl kein Problem - aber jetzt...

Nun, wir kamen an, Starthilfe war schnell gegeben (und ich versuchte den Groll zu verdrängen, dass ich das hätte einfacher haben können). Ich hatte nur noch das Problem, dass ich in der Dunkelheit die ganzen ADAC-Unterlagen nicht fand, nur die einfache Karte, die auf meine normale Mitgliedschaft lautet, nicht auf die erweiterte, die mir Hilfe auch im Ausland gewährt. Also bezahlte ich in Bar 176 Euro, bekam das Geld gerade so zusammen.

Zurückzu fuhr ich voraus, für den Fall, dass mir der Motor wieder ausgeht. Es lief aber alles glatt. Ich fuhr noch etwas weiter die Autobahn lang, um die Batterie mehr aufzuladen, und langte dann um 4:00 Uhr am Zeltplatz an. Der kleine Hund war auch gleich wieder da - wie schon gesagt, ich halte nicht so viel von Hunden, vor allem wenn sie mit in mein Zelt kriechen wollen. So fertig, wie ich war, legte ich mich sofort ins Zelt und schlief ein wenig, geweckt manchmal noch durch starken Regen, der aufs Zeltdach trommelte.