Nach langer Regennacht stand ich dann auch erst 9:00 Uhr auf. Es sollte der letzte Tag mit ausgesuchtem Ausflugsziel in Griechenland werden, ein Ausflug zu den Meteora-Klöstern, die sich in Felswänden nahe Kalambaka befinden und einer der großen Touristenmagnete Griechenlands sind.

10:15 Uhr fuhr ich mit dem Fahrrad los, hatte noch immer gewaltig mit dem Muskelkater von der Olympbesteigung zu kämpfen, und mit den kaputten Füßen natürlich auch.

Nach Kalambaka und dem Dorf Kastraki ging es stetig bergan in die Felsenwelt hinein. Das Nikolaus-Kloster ließ ich bleiben, folgte dann vielmehr einem Wegweiser zum Kloster Varlaam, noch ganz unten vom Tal aus. Es wurde ein beschwerlicher Aufstieg über einen schmalen, wildromantischen Pfad durch die Felsen, es war wunderschön und sehr anstrengend, und als ich oben ankam stellte ich fest, dass die Straße weiter oben einen leichteren Zugang ermöglicht. Von daher ergossen sich gewaltige Touristenströme ins Kloster, darunter auch einige deutsche Busreisegesellschaften. Die Atmosphäre schlug sofort auf mich über, ich spürte die Hektik, das Hetzen von Attraktion zu Attraktion, das Eingebundensein in eine Maschine, die täglich tausende Leute durch das wirklich sehr schöne Kloster presst. Die Touristen wirken oft gereizt und nervös, und das scheint sich auch auf die Fähigkeit auszuwirken, das Ganze dann überhaupt genießen zu können - es schwebt die Frage in der Luft, ob man auch nichts verpasst, man steht irgendwie orientierungslos herum, in eine neue Umgebung gestellt und mit der Vorgabe, zu einer bestimmten Zeit wieder am Bus zu sein. Anstatt selbst auf Entdeckungstour zu gehen, ist man an einen Führer gekettet, den man bezahlt hat und der deshalb unbedingt was leisten muss, vielleicht entlädt sich an solch armen Führungsfiguren auch der Urlaubsstress, oder der Führer ist selbst ein kleiner Despot, der die Leute oberlehrerhaft behandelt - und die rächen sich dann mit Bummeleien und fiesen ironischen Bemerkungen. Alles in allem denk ich, keine besonders günstige Ausgangslage, um die Reise zu genießen. Trotzdem, die schöne Gegend und die Historie überwältigen oft einfach solche negativen Dinge, und die Leute gehen trotz allem mit dem Gefühl, etwas wirklich Besonderes gesehen zu haben.

Ich schmarotzte etwas bei den deutschen Führungen und hörte so einige wirklich interessante Geschichten um die Geschichte. Interessant war vor allem die Seilwinde - ausschließlich über die konnten bis 1925 Menschen und Material das Kloster erreichen. Die Story, nach der die Mönche 20 Jahre lang Baumaterial hier hochgeschleppt hatten, um dann in 20 Tagen die Kirche zu bauen, mutete mir doch recht sagenhaft an. Interessant auch, dass die Mönche Jungen aus der Umgebung vor den Türken versteckten, da die Kinder ansonsten entführt worden wären, um nach Umerziehung in der Türkei hier gegen die eigenen Leute eingesetzt zu werden. Die Kirche ist sehr schön ausgemalt, und auch hier hatte ich das Glück, eine deutsche Gruppe zu treffen, deren Leiterin alles sehr gut erklärte. Gerade auch die Darstellung des Jüngsten Gerichtes war hier wieder sehr deutlich, und die martialisch anmutenden Höllenqualen wirkten lebendiger als das etwas gestelzte Wolkenschweben der Gerechten - es ist wohl immer ein Problem, die ewige Glückseligkeit darzustellen.

Vom Kloster Varlaam aus hat man einen sehr schönen Blick auf das benachbarte, in Meteora größte Kloster Methamorphosis. Dort sieht man mitunter von weitem die Seilbahn, mit der auch Mönche ins Kloster transportiert werden - den Touristen ist dies verwehrt, die müssen sich mit tausenden Treppenstufen abquälen. Interessant auch die Lagerstätten, die in Felsaushöhlungen hineingestelzt sind und die hier und da zur Meditation dienten - gefährlich über dem Abgrund hängend.

Beim Abstieg hatte ich dann zu tun, über die unterhalb der Seilwinde liegende Fläche zu kommen, denn zu Beginn der Siesta werfen die Mönche alle möglichen Dinge dort hinunter - mir war nicht danach, aus 80 m Höhe einen Müllbeutel auf den Kopf zu bekommen.

Der Abstieg war dann wieder schön, doch auch quälend, da die Blasen vom Olymp-Abstieg das Laufen bergab sehr schwer machten.

Wieder unten am Fahrrad, machte ich noch eine kurze Rast im Schatten. Dann ging es durch die Mittagshitze die Straße bergauf. Das Wetter war immer besser geworden, und jetzt brannte die Sonne ordentlich. Ich ging vorbei am Kloster Roussanou, es gab unterwegs viele schöne Aussichtspunkte, und oberhalb des Klosters dann einen, von dem aus man das ganze Gebiet gut überblicken konnte, und bis auf das Nonnenkloster waren von dort aus alle Klöster zu sehen. Auf den Felsen lümmelte eine Gruppe junger Leute, deren T-Shirts auf die Gegend um Dresden verwiesen, und richtig sprachen sie auch über die Sächsische Schweiz, die doch der Meteora-Gegend sehr ähnelt, und im altbekannten Ton, der, immer etwas abwertend klingend, auf anderer Leute Unvollkommenheiten zielt. Mir war das schon immer fremd, ja allgemein sind mir die Deutschen zu sehr darauf bedacht, ihre Kompetenz durch Fingerzeig auf die Fehler anderer Leute zu unterstreichen. Es wird problematisiert ohne Ende, man findet sich in einem Umfeld, in dem man auf der Hut sein muss, weil, wenn man nicht in der Meute ist, die Sache gegen einen selbst laufen könnte. Es kommen die immer gleichen Themen auf den Tisch, und dieses ständige sich-beweisen-müssen durchsäuert das ganze Leben. Erlebnisse verkommen so auch ganz schnell zu Vorzeige-Erlebnissen und es zählt nicht so sehr, ob man sich irgendwo wohl gefühlt hat, sondern "dass man da war".

Glücklicherweise gibt es auch Leute mit anderen Haltungen.

Ich genoss jedenfalls trotz dieser seltsam-zweifelhaften Unterhaltung nebenan den Ausblick, half einem englischsprachigen Paar beim Fotografieren und bekam auch selbst ein Foto mit mir selbst geschossen, im Gegenzug. Das war dann schon wieder das Gegenteil - eine einfach nette Art, was miteinander anzufangen.

Weiter ging es dann zum Kloster "Heilige Dreieinigkeit", das ich kurz vor 17:00 Uhr erreichte. Dort wird zur Zeit gebaut - der Zugang ist verschlossen, aber man gelangt durch einen Gang im Fels ein Stück eine Treppe hinauf. Der rissige Fels, der einem dort überm Kopf hängt, stimmt doch etwas ängstlich.

Mehr Glück hatte ich dann beim Nonnenkloster "Agios Stephanos", das auch noch eine Weile geöffnet hatte. Hier gab es wieder einige interessante Details zu sehen - in der neu ausgemalten Kirche gab es ungewöhnlicherweise sehr viele Darstellungen von Frauen zu sehen, die trotz der strengen Gesichter mit ihren bunten Kleidern doch viel freundlicher wirkten als die ganz in schwarz gehüllten Nonnen. Dieser Widerspruch wurde mir hier besonders deutlich. Außerdem gab es hier auch noch sehr alte Handschriften zu sehen. Sehr interessant auch, dass in der Kirche die Gemälde zum Teil noch im Entstehen waren - an einer Stelle konnte man so ziemlich gut ein solchermaßen unfertiges Bild studieren.

Ich ließ es ruhig angehen, nahm mir viel Zeit auch für den gewaltigen Ausblick auf die hunderte Meter tieferliegende Ebene.

Vom Kloster aus fuhr ich schließlich mit dem Rad 10 Minuten durchgehend bergab nach Kalambaka.

Dort aß ich noch etwas und ging ins Internet-Cafe, wo ich wiederum ein paar E-Mails versendete. Im Ort lief gerade eine Wahlkampfveranstaltung, die Hauptstraße war gleich abgesperrt, und mit dröhnendem Lautsprecher und dem Segen eines Priesters wurde nach meinem Verstehen viel über den Ort und darüber gesprochen, wie er zu verschönern sei. Wenn man weiß, wie hierzulande die Bindung von Menschen an Parteien funktioniert, wird einem das schon etwas suspekt - zum Beispiel wird ein Politiker Taufpate und zahlt die Feier, und im Gegenzug sind die Familienmitglieder dann gewissermaßen verpflichtet, den Gönner und Geber auf längere Zeit zu wählen, da er ja zur Familie gehört. Oder es wird ganz konkret versprochen, nach der Wahl gewisse Vorteile zu geben, was Baugenehmigungen und andere Dinge betrifft. Klientelismus nennt man das und versucht mit diesem offiziell klingenden Namen zu verbergen, welch ungeheure Mauscheleien hier ablaufen.

Zurück auf dem Zeltplatz, schrieb ich dann auch noch ein paar Postkarten, sowie ins Reisetagebuch. Von der Zeltplatzmutti bekam ich frische Weintrauben dazu - so lässt es sich leben.