Um 8:00 Uhr stand ich auf und bekam von Ileana Spiegelei, Kakao und Milch, machte mir dann noch Müsli und Marmeladenbrot.
Gegen 10:00 Uhr fuhr ich mit dem Rad los, drehte erst einmal eine Runde durch den Ort und versuchte dort mit dem Fotoapparat etwas einzufangen, das wohl besser mit Pinsel und Leinwand einzufangen wäre.
Die Leute leben arm, von der Landwirtschaft und kleinen Geschäften - es ist eine eigene abgeschiedene Welt für sich. An die heutige Zeit (was für ein Ausdruck - sie leben ja heute so) erinnern die gelben Gasleitungen, die überall durch den Ort führen; alle Häuser haben Strom, und hier und da steht ein alter Dacia vorm Haus. Ansonsten könnte das Dorf auch vor 200, 300 Jahren so gestanden haben. Zum Transport dient überwiegend der Pferdekarren, den man ständig durchs Dorf und über die Straßen zu den kleinen Feldern fahren sieht. Die Felder sind nach meinem Eindruck chaotisch mit Mais und dazwischen wuchernden Kürbispflanzen sowie Blumen und anderen Dingen durchsetzt.
Vor den Häusern sitzen die Leute, die gerade nichts zu tun haben oder eben die alten Leute - sie bieten da bisweilen auch irgendwelches Gemüse an. Die alten Leute haben zerknitterte Gesichter, es gibt sehr ausgeprägte Typen. Ganz typisch sind die Omas ohne Zähne, in dicke Kleider gewickelt, mit Kopftuch, die einen anlachen, wenn man vorbeigeht und irgendwie nett, gemütlich, freundlich wirken, manchmal auch anfangen zu erzählen und einen Scherz zu machen - was ich nun wieder nur mit einem freundlichen Lachen und Schulterzucken quittieren konnte. Auf den Straßen läuft allerlei Getier herum, zu allererst jede Menge kleine Hunde, dann Enten, Gänse, Hühner und was es an Federvieh sonst noch gibt. Kühe ab und zu, oft treibt jemand seine Kuh durch den Ort, sei es um ihr Auslauf zu verschaffen oder um sie irgendwo grasen zu lassen.
Heu wird auf der Straße ausgebreitet, zum Trocknen - auf dem Asphalt ist das scheinbar besonders gut möglich. Asphalt haben aber nur wenige Straßen, meistens sind es runde Pflastersteine, die Straße ist oft zur Mitte hin etwas abfällig, so dass dort immer etwas Wasser rinnt oder was sonst noch so aus den Höfen läuft. Das Haus, in dem Ileana wohnt, ist auch sehr typisch: zur Straße hin gibt es ein großes Eingangstor aus Metall, in das noch eine kleinere Eingangstür eingelassen ist, das Haus selbst ist einstöckig und unterkellert. Im kleinen Hof steht ein Nussbaum und in einer kleinen Hundehütte haust ein unberechenbarer kleiner Hund, der mal bellt und mal nicht, wenn jemand kommt, und dem man lieber aus dem Weg geht, außerhalb Kettenreichweite. Weiter hinten ist das Plumpsklo und sind auch die Ställe, in denen auf engstem Raum alle möglichen Tiere untergebracht sind (Kuh, Pferd, Schafe...). Mich hat gewundert, dass trotz Misthaufen und Plumpsklo und trotz all der Tiere kaum Fliegen oder Mücken zu sehen sind. Tja, und dann sind da noch große Holzhaufen - der Onkel von Ileana sägt jeden Tag Holz, sicher für den Winter. Für kalte Tage gibt es im Haus Kachelöfen, ansonsten noch einen kleinen Elektroheizer. Dusche oder Bad gibt es nicht in den zwei Zimmern, in denen Ileana mit ihrem Sohn wohnt, nur ein kleines Waschbecken. In der Küche außerdem Gasherd, Waschmaschine, Uralttelefon, Tisch und Hocker. Im Schlafzimmer ein großer Schrank, ein Doppelbett und ein Fernseher. Nicht viel mehr. Im Flur stehen noch ein Tiefkühl- und ein normaler Kühlschrank. Das Haus gehört einer Tante, die wo anders lebt und der Onkel scheint ein ziemlicher Streithahn zu sein, man sagt er sei nicht ganz richtig, habe auch noch keine Frau gehabt. Ich hab ihn immer freundlich gegrüßt, und er grüßte zurück, ich kann an sich dazu nichts sagen, bis auf den Abend meiner Ankunft.
Nachdem ich den Ort eine ganze Zeit erkundet hatte, fuhr ich mit dem Rad einen Weg hinter der Dorfkirche (die sehr schön ist) bergauf zum Kloster. Es geht lange Zeit bergauf, ich lief mindestens eine Stunde, und es war eine Zeit, um viel nachzudenken über verschiedene Dinge. Ich war auch gespannt, wie wohl die Mönche dort sein und leben würden. Das alles, auch das schöne Wetter und die regelmäßigen Schritte, regten an, und ich überlegte hin und her, wie wohl mein Glauben und mein Stand in der Welt seien, was ich denn eigentlich glaube und in der Welt tue, wie seltsam sich doch alles miteinander verbindet und verschiedenste Erfahrungen und Kenntnisse über Religion und Weltanschauung in mir ineinander fließen und meinen ganz eigenen Eindruck von der Welt wie sie zu sein scheint ergeben.
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In Gedanken entspann sich ein Gespräch mit einem Gegenüber, so wie ich mir einen Mönch vorstellte, und ich diskutierte mit ihm lange über die Möglichkeiten, die Welt zu sehen, über die eine Wahrheit, die da draußen wirklich existiert und die jedes Wesen nur unvollständig begreifen kann, von seiner ganz eigenen Warte aus, über den Weg, den ich bis hierher genommen habe, über das was kommen mag.
So verging die Zeit bis oben schnell - ich fand es schön, dass mich dieser Weg so angeregt hatte, und fast hätte ich umkehren mögen ohne das Kloster wirklich gesehen zu haben, doch dann war ich doch neugierig, was davon mit meinem Traumbild wohl übereinstimmen mochte. Nun, das Kloster ist so wie ich es erlebte, recht lebendig, es wird gearbeitet dort, am täglichen Essen wie am ständigen Ausbau der Gebäude, zuerst stand ich eine ganze Weile auf der Terrasse allein, ehe der leitende Mönch, der auch etwas Englisch verstand und sprach, Zeit fand, mir die kleine alte und die größere neue Kirche zu zeigen. Es ist nichts spektakuläres dort oben, aber es war wunderbar auf der Terrasse zu stehen und hinaus in den Regen zu sehen, der sich eine Weile leise, wie in geheimnisvollen Vorhängen zwischen die vor mir liegenden Berge hängte und etwas später wieder verschwand.
Mit dem Mönch kam ich auch wirklich etwas ins Gespräch, fragte nach dem orthodoxen Glauben und erzählte etwas von meinen atheistischen Wurzeln und von dem Prozess, in dem ich lernte im Glauben die wichtigen Botschaften zu erkennen, in dem ich lernte den Glauben als wichtige Form der Überlieferung von Werten und als Quelle eines guten Lebensstils zu schätzen, abgesehen von den machtmissbräuchlichen Komponenten seiner weltlichen Ausprägung. Wie auch immer - für den orthodoxen Glauben ist schon allein das Gebiet aus dem ich komme doppelt verdächtig - schon die Katholiken gelten als vom wahren Glauben abgefallen, und erst die Protestanten - ich bekam nicht so recht heraus, welche Haltung der Mönch in diesem Sinne mir gegenüber einnahm, da war dann doch die Sprachbarriere da. Nachdem ich etwas gespendet hatte, schenkte er mir jedenfalls einen Schlüsselanhänger, es waren auf jeden Fall nette Gesten.
Zurück in Turnu Rossu, sah ich mir nun auch die Post an, wo vor allem die Telefonzentrale interessant war. Wie zu Omas Zeiten werden dort die ankommenden und weggehenden Gespräche per Hand mittels Steckverbindung vermittelt.
Nach 14:00 Uhr kam Ileana nach Hause und kochte Mittag - mit Vorsuppe aus Grünkohl, Ei und Milch, sowie dem Hauptgericht, das aus mit Reis und Fleisch gefüllten Paprikaschoten bestand. Alles schmeckte ausgezeichnet.
Nachmittags fuhren wir zusammen mit Andre, ihrem Sohn, nach Sibiu. Ich war auf Musik aus und fand auch zwei Musikkassetten mit volkstümlicher und moderner rumänischer Musik, und wir sahen uns einfach um, was es zu sehen und zu kaufen gab.
Interessant waren die großen Kirchen. Eine, die größere, sah trotz katholischer Orientierung vom Schmuck her eher orthodox aus, wunderschön ausgemalt, und die andere katholische Kirche war von Siebenbürgen-Deutschen erbaut, sah auch außen und innen typisch deutsch aus. Die Beschriftung sämtlicher Bilder war in Deutsch oder Deutsch und Ungarisch gehalten.
Später, auf dem Rückweg, aßen wir noch etwas Einfaches in einem kleinen Restaurant an der Straße, und ich kaufte einen Käse, wie er überall an den Straßen feilgeboten wird.
Zurück in Turnu Rossu, sahen wir bei den Eltern von Ileana vorbei. Die Mutter hat richtiggehend strahlende Augen, und auch der Vater ist ein sehr interessanter Typ. So wie ich sie kennen gelernt habe, sind es sehr fröhliche, glückliche Leute. Wir saßen kurz in der Küche und sahen ein paar Fotos an. Die Katze dort ließ sich gern etwas kraulen, und in einer Ecke hatten sich einige kleine Hühnchen versammelt, was mir für eine Küche doch recht passend erschien.
Mit Andre war ich dann noch eine Weile allein, und wir sahen uns meine bisherigen Fotos in der Digitalkamera an. Hinterher lief noch das Fernsehen, und wir sahen einige englischsprachige Sendungen.
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