Bis nachts 2:00 Uhr habe ich gepackt, früh dann das restliche Gepäck im Auto verstaut. Am Neumarkt in Zwickau kaufte ich noch etwas Obst und aß etwas zu Mittag, und 11:30 Uhr fuhr ich dann los in der Bosestraße.

Auf dem Weg nach Planitz tankte ich noch, in Planitz nahm ich ein paar Sachen mit und verabschiedete mich von Vati. 12:45 Uhr fuhr ich dann dort los, über Cainsdorf zur A72, die dann weiter bis zur Abfahrt Hartenstein, dann über Aue zum Grenzübergang Reitzenhain.

Durchs Erzgebirge war die Fahrt recht anstrengend, die vielen Ortsdurchfahrten hielten auf und wo bei anderen Fahrten das abwechslungsreiche Gelände gerade den Reiz der Gegend ausmacht, hielt es hier nur auf.

14:45 Uhr ging es dann über die Grenze - dort tauschte ich erst einmal 10 Euro ein und kaufte eine Autobahnvignette. 15:15 Uhr ging die Fahrt weiter nach Prag über Chomutow. Das Wetter war teilweise gewittrig oder bedeckt, es wurde mit der Zeit immer sonniger.

Von der Grenze ab bis Chomutow standen jede Menge Mädels an der Straße, die zum Teil heftig winkten - Sex für Geld - ich bin immer wieder am Überlegen, ob ich solcherlei Dinge als Normalität werten kann (Normalität umfasst ja die schönen wie die negativen Dinge), vordergründig aber fasst mich da das Grauen und ich fände es besser, wenn der Begriff "Normalität" so etwas nicht umfassen müsste. Die Strecke ist bekannt als längster Straßenstrich Europas.

In Chomutow war der O-Bus bemerkenswert, ich habe so etwas noch nicht oft gesehen. Mit Oberleitung und ohne Schienen wirkt es widersprüchlich, wie eine Art Zwitterwesen.

Die Fahrt bis Prag ging auf guter Straße voran, die Gegend war allerdings ziemlich öde und langweilig. Auffällig bei Prag waren die Plattenbauten, die in der Tschechoslowakei nach meiner Meinung noch viel exzessiver gebaut wurden als in der DDR. An Prag wurde der Verkehr gut vorbeigeleitet, ich orientierte mich an den Schildern Richtung Brno. Die Strecke wurde jetzt etwas schöner - mehr Wald, allerdings ist von der Autobahn aus nicht viel mehr zu sehen als einfach mehr Grün. Auf einem Parkplatz aß ich gegen 20:00 Uhr ein Schnitzel mit Brot. An der Strecke, in einer kleinen Stadt, fragte ich in einem Hotel nach, aber ein Doppelzimmer für 41 Euro wäre mir zu teuer gewesen. Außerdem war mir die ganze Ortschaft nicht recht geheuer - die Leute im Hotel wirkten abweisend, und das Verhalten eines Abschleppwagens, der dort herumkurvte, kam mir recht mysteriös vor. Irgendwie kam mir die Gegend unsicher vor.

Ich fuhr dann noch über die slowakische Grenze (ca. 21:30 Uhr, bei 478 km), kaufte dort wieder eine Autobahnvignette für 100 Kronen - in slowakischem Geld wäre es billiger gewesen, das verbuchte ich aber unter Tauschgebühren, und das letzte tschechische Geld war ich auch gleich los. Der Zöllner war irgendwie schlecht gelaunt, nervös, angespannt, ich kam aber ohne Probleme durch.

Gegen 22:00 Uhr fand ich dann ein Motel, das "Motel u Janickow" - das war dann gleich ein Kulturschock. Ich fragte mich, ob ich die DDR-Zeiten wirklich schon so sehr vergessen habe, ganz dunkel dämmerte mir ein Slowakei-Urlaub. Jedenfalls erinnerte alles daran, oder war zum Teil schon ins Groteske verzerrt. 20 Euro kostete der Spaß, diese Fahrt in den Seelenabgrund. Ein Typ, dessen Hobby offenbar das Herrichten von verwachsenen Holzstumpen für Kuriositätensammler war, ließ mich ein - er selbst hatte etwas Ähnlichkeit mit seinen Kunstobjekten. Die Bude war unbeschreiblich - langer Gang, links und rechts Türen mit Schallschutz-Polsterung, alles in dunklem Sprelacart gehalten, mit Aluleisten. Alte Clubsessel standen herum, auch ein alter Fernseher der so aussah als hätte er mal vor Jahren funktioniert, und auch die Gardinen und Vorhänge stammten aus der alten Zeit. Der Fußbodenbelag schlug starke Wellen.

Im Zimmer selbst waren Armaturen und Stromleitungen die Wand entlang montiert, die Stromleitungen in Metallschläuchen, das war an Hässlichkeit nun nicht mehr zu überbieten.

Die Krönung aber war der Warmwasserboiler, ein "Tatramat", ein gelbes Plastikungetüm, das nicht eben funktionstüchtig aussah und mir als Zentrum aller Kuriositäten erschien. Alle Armaturen im Haus waren mindestens 20 Jahre, vielleicht sogar 50 Jahre alt und hatten schon verschiedenfarbige Ablagerungen angesetzt, es hatte etwas von Tropfsteinhöhle.

Mir dämmerte der Widerspruch von Komfort und Miete, ich vermutete neben wirtschaftlichen Problemen auch pure Gier, und ich fand es ärgerlich, dass man sich hier auf diese Weise selbst in so schlechtes Licht rückt. Der kurzfristige Gewinn über den hohen Preis wiegt den Imageverlust nicht auf, Land und Leute hinterlassen einen schlechten Eindruck.

Man kann die Sache aber auch abwiegeln: Es funktionierte alles, rein technisch - ich hatte eine warme Dusche mit ordentlich Wasserdruck, ein normales Bett, in dem ich schlafen konnte, der Regen kam nicht rein in der Nacht - was will ich noch verlangen, egal was es koste.